„Weit oben in Lappland, wo die Winter lang und kalt und dunkel sind, gibt es ein kleines Dorf am Fuße eines Berges.“
Schon als kleine Kinder haben meine Schwester und ich das Buch „Wo der Weihnachtsmann wohnt“ von Mauri Kunnas geliebt. Und schon damals, als Dreikäsehochs, wollten wir unbedingt eines Tages einmal in das kleine Dorf am Fuße des Berges Korvatunturi reisen, um den Weihnachtsmann, seine Frau, die vielen Wichtel und natürlich die Rentiere zu treffen.
Viele viele Jahre später sollte es dann tatsächlich so weit sein! Ausgerüstet mit warmer Kleidung, dicken Schneeschuhen, Mützen, Handschuhen, Kameraausrüstung – und natürlich einem negativen PCR-Test – machten wir uns kurz vor Jahresende von München aus auf den Weg nach Rovaniemi, der Hauptstadt Finnisch-Lapplands und offiziellen Heimat des Weihnachtsmannes. Da nur einigen Auserwählten bekannt ist, wo genau der Weihnachtsmann wohnt, wurde 1985 beschlossen, ein Büro in Rovaniemi zu eröffnen. Seit 2010 hat die Stadt den Status „offizielle Heimatstadt des Weihnachtsmannes“.
Rovaniemi hieß uns bei leichtem Schneefall willkommen. Als wir den Flughafen dann schließlich verließen, bekamen wir einen ersten Vorgeschmack auf die arktische Kälte. Durch die wetterbedingte Verspätung waren wir erst kurz vor 20:00 Uhr im Hotel und erfuhren dann an der Rezeption, dass die Restaurants aktuell bereits um 20:00 Uhr schließen müssen und danach nur noch Take Away anbieten dürfen. Mit einer Auswahl an verschiedenen Speisekarten bewaffnet bezogen wir erstmal unser Zimmer, bevor wir uns dick eingepackt wieder nach draußen wagten. Solange wir auf unsere Essensbestellung warteten, machten wir uns etwas mit unserer Umgebung vertraut in der klirrend kalten Winternacht.
Wie man sich bettet…
Rovaniemi bietet Unterkünfte für jeden Geldbeutel und jeden Stil. Ein Hotel im Zentrum der Stadt, eine Blockhütte oder ein Baumhaus mitten in der Wildnis, ein Glas-Iglu in direkter Nachbarschaft des Weihnachtsmannes, von modern bis luxuriös – man hat die freie Wahl. Das Zentrum ist von den Hotels aus gut zu Fuß erreichbar und bietet neben einigen Restaurants auch diverse Einkaufsmöglichkeiten.
Auf Motorkufen zum Weihnachtsmann
Unser erster offizieller Urlaubstag startete mit einer Schneemobilfahrt zu einer Rentierfarm. Dick eingepackt machten wir uns auf den Weg zum Büro des Outdoorspezialisten „Lappland Safaris“. Auch wenn wir vorab bereits gelesen hatten, dass die Sonne in Lappland sehr spät auf- und sehr früh wieder untergeht, war es doch ein merkwürdiges Gefühl, um 10:00 Uhr morgens im Dunkeln durch die Straßen zu laufen.
Für die gebuchten Aktivitäten stellten die örtlichen Veranstalter Thermokleidung, Mützen, Schals, Handschuhe und sogar dicke Winterschuhe zur Verfügung. Hat man über mehrere Tage Aktivitäten gebucht, darf man die Ausrüstung sogar bis zum Schluss ausleihen. Für unsere Schneemobiltour – Achtung: Führerschein nicht vergessen! – bekamen wir außerdem noch Balaclava (nicht zu verwechseln mit dem Gebäck Baklava; früher bekannt als Schalmütze) und Helme zur Verfügung gestellt. Nach einer kurzen Einweisung zur Bedienung des Gefährts ging es endlich los! Hinaus auf einen zugefrorenen See, durch eine romantisch verschneite Winterlandschaft, unter schneebeladenen Ästen hindurch bis am Horizont die Rentierfarm auftauchte. Dort angekommen, konnten wir uns in einer kleinen Hütte am Feuer wieder etwas aufwärmen und alten finnischen Sagen lauschen. Natürlich darf auf einer Rentierfarm eine Fahrt mit dem Rentierschlitten nicht fehlen. Gemütlich drehten wir eine kleine Runde durch den Winterwald, bevor wir im Anschluss tatsächlich noch den Weihnachtsmann persönlich trafen. Wir versicherten ihm, dass wir mit unseren Geschenken sehr zufrieden waren und er versprach, nächstes Jahr wieder zu kommen, weil wir ja so brav waren. Puh, nochmal gut gegangen…
Abendrot geht auch am Mittag
Nach einem sehr leckeren Mittagessen – es gab Hackbällchen mit Kartoffeln – traten wir gegen 13:30 Uhr (!!) im Abendrot wieder die Heimfahrt an. Wir tauschten Schneemobil und Helm gegen Bus und Mütze und fuhren direkt weiter ins Weihnachtsmanndorf. Das Dorf ist übrigens an jedem Tag des Jahres geöffnet! Durch das Weihnachtsmanndorf verläuft auch gut markiert der nördliche Polarkreis (66°32′35″). In der Arktis gibt es auch andere und auch größere Städte als Rovaniemi, aber keine andere Stadt liegt in direkter Nähe des nördlichen Polarkreises.
Fun Fact
Übrigens entstand die erste Hütte im Weihnachtsdorf 1950. Eleanor Roosevelt, Ehefrau des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, wollte bei ihrem Besuch in Rovaniemi unbedingt den nördlichen Polarkreis besuchen. Und so haben die Verantwortlichen kurzerhand 8km nördlich der Stadt eine Hütte gebaut. Mit dieser Hütte begann die Geschichte des Weihnachtsmanndorfes und sie steht noch heute neben dem Postamt des Weihnachtsmanns.
Wer den nördlichen Polarkreis im Weihnachtsmanndorf überquert hat, kann sich direkt vor Ort eine entsprechende Urkunde ausstellen lassen.
Aurora statt Raketen
Die Silvesternacht verbrachten wir mitten im Wald gut 1 Stunde außerhalb von Rovaniemi. Wenn man schon im Winter so hoch im Norden ist, muss man schließlich auch auf Aurora (Nordlichter)-Jagd gehen. Auch wenn man bei effektiv 3 Tagen vor Ort schon sehr viel Glück haben muss, war es ein langgehegter Traum, einmal Nordlichter zu sehen. Als begeisterte Hobbyfotografin war ich bestens vorbereitet und kaufte mir vor unserer Reise sogar noch ein entsprechendes Objektiv, ein Stativ und eine Stirnlampe. Wie meinte der nette Verkäufer im Fotoladen: „An Ihrer Ausrüstung wird es nun nicht mehr scheitern.“ 😁Was soll ich sagen, an der Ausrüstung scheiterte es tatsächlich nicht. Eher am Bedienungsfehler der Fotografin. 😂
An diesem Abend hatten wir nur ein bisschen Glück. Die Aurora war mit bloßem Auge nur als leicht grauer Schweif am Himmel zu sehen. Hätte uns der Guide nicht darauf aufmerksam gemacht, hätten wir sie nicht mal wahrgenommen. Nur durch die Linse der Kamera konnte man das charakteristische Grün erkennen…wenn man denn sein Objektiv auch richtig eingestellt hat.
Unser Guide wurde nicht müde, uns zu erklären, dass dieser graue Schleier „Step 1“ ist und man ohne diesen „Step 2“, sprich eine klarere Aurora, auch nicht sehen würde. An diesem Abend sollte es jedoch nicht sein, wir kamen über „Step 1“ nicht hinaus. Dafür gossen wir nach finnischer Tradition über dem offenen Feuer Blei und bekamen ein großartiges Jahr 2022 vorhergesagt.
Das neue Jahr beginnt rasant
Ins neue Jahr starteten wir ziemlich rasant. Am Vormittag ging es direkt auf Husky-Safari. Naiverweise ging ich davon aus, dass die Schlitten von einem Guide gelenkt werden und alle Teilnehmer sich bequem in den Schlitten setzen. Entsprechend groß waren dann auch meine Augen, als wir nach unserer Ankunft auf der Husky Farm eine Einführung über die Do´s & Dont´s der Schlittenführung bekamen. Soweit man das bei dem ohrenbetäubenden, freudig aufgeregten Bellen der wartenden Huskys verstehen konnte, sollte es nicht allzu schwer sein. Mit beiden Beinen auf dem Schlitten stehen, mit beiden Beinen auf die Bremse stehen, in den Kurven mit dem Oberkörper mitgehen. Kann losgehen! Kaum saß ich im Schlitten, ging auch schon die Post ab!
Bedauerlicherweise hatte der Kollege vor uns keine lauffreudigen Huskys vor seinem Schlitten, sodass wir die meiste Zeit mit angezogener Handbremse – oder in diesem Fall: Hundebremse – fahren mussten. Ob schnell oder langsam, es war ein wirklich tolles Erlebnis durch eine atemberaubende Winterlandschaft gezogen zu werden.
Es werde grünes Licht!
Das neue Jahr sollte wie angekündigt großartig für uns starten. In der Neujahrsnacht hatten wir tatsächlich das große Glück Nordlichter zu sehen. Auch wenn die Aurora nur kurz für uns tanzte, war es dennoch ein wirklich einzigartiger Moment! Vermutlich hätten wir auch an unserer Wahrnehmung gezweifelt, hätten wir keine Beweisbilder gemacht. Wir waren so aufgeregt, dass wir nicht mal die Kälte (-21 Grad) groß gespürt haben. 😊[Das ist echt übertrieben, du hast trotzdem gefroren wie ein Schneider! Anm. d. mitgereisten Schwester]
An unserem letzten arktischen Abend waren wir noch einmal mit dem Schneemobil unterwegs. Bei Mondschein ging es erst 10km über einen zugefrorenen Fluss und dann einen engen Waldweg entlang, bis wir am Gipfel des Hügels unser Camp erreicht hatten. Schneebedeckte Bäume wurden von den Scheinwerfern der Schneemobile angestrahlt. Diese mystische Atmosphäre lässt sich mit Worten kaum beschreiben.
Wir haben jede Sekunde der Fahrt genossen und diese Stimmung aufgesogen. Leider war es zu bewölkt, um Nordlichter zu sehen, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Wir grillten Würstchen, tranken heißen Beerensaft und lauschten den Geschichten der Guides. Wir hätten uns keinen besseren Abschluss für unseren Kurztrip wünschen können.
Unser erster Trip in den hohen Norden wird garantiert nicht unser letzter gewesen sein! Unsere Nordlichter Jagd hat gerade erst begonnen. 😊